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Reformationsfest

Calvin trifft Luther in Herborn

Becker-von Wolff

Zum Reformationstag am Montag, 31. Oktober 2022 treffen in Herborn zwei ganz unterschiedliche Menschen aufeinander. Der eine ist Johannes Calvin, Franzose aus Noyon, Sohn eines angesehenen Kirchenjuristen. Der andere ist Martin Luther aus Deutschland, Sohn eines einfachen Bergmanns aus der Grafschaft Mansfeld in Thüringen.

Beides sind bedeutende Reformatoren - aber es ist schon ein recht gegensätzliches Paar, das im Gottesdienst um 19 Uhr in der Evangelischen Stadtkirche Herborn zum 'disputieren' zusammenkommt.

Der eine soll nach dem Willen seines Vaters Theologe werden, wird aber Jurist. Der andere soll nach dem Willen seines Vaters Jurist werden und wird Theologe. Der Jurist verzichtet auf eine gewiss glänzende geistliche Laufbahn in Frankreich, kann aber Zeit seines Lebens nicht von der Theologie lassen und schreibt mit der Institutio Christianae Religionis (übersetzt: „Unterricht im christlichen Glauben) eines der bedeutendsten evangelischen Werke.

Der Theologe hat die Juristerei so sehr gehasst, dass er das Corpus Iuris Canonici, das Römische Kirchenrecht, ein sehr teures Buch, öffentlich verbrennt.

Der eine liebt die Ordnung und versucht zu regeln, was sich eben regeln lässt: das bürgerliche Leben, den Gottesdienst, das kirchliche Leben, die Moral, die Musik, die Lehre. Und er achtet streng darauf, dass die Regeln eingehalten werden.

Zwei völlig unterschiedliche Reformatoren

Der andere überlässt das Ordnen anderen und traut seinen wortmächtigen Reden zu, dass sich die Leute von sich aus nach dem richten, was er predigt.

Der eine schreibt ein umfangreiches und glänzend durch-dachtes Werk, säuberlich in logische Ordnung gebracht, in dem man alles nachlesen kann, was in Kirche und Theologie zu denken ist.

Der andere schreibt dies und das, wie es der Alltag und die Notwendigkeit gerade erfordert, und Widersprüche lassen sich leicht ausmachen.

Kompromisse sind beider Sache nicht

Unterschiedlich ist auch ihr Naturell - der eine schlank, eher asketisch, zurückhaltend, manchmal geradezu schüchtern, ein durchdachter Mensch und geschliffener Schreiber, der zu bitterböser Ironie und verletzender Schärfe fähig war. Der andere kräftig gebaut, hitzköpfig und in seinen Äußerungen oft heftig und grob. Ähnlich sind sie sich in ihrer Unerbittlichkeit, wenn sie dafür eintreten, was sie als richtig erkannt haben, und in ihrer Kampfbereitschaft, wenn ein anderer dem entgegen tritt.

Kompromisse sind beider Sache nicht, das überlassen sie ihren Mitstreitern, und greifen lieber zur spitzen Feder oder zum kräftigen Wort, um ihre Meinung unter die Leute zu bringen. Auch in den wesentlichen theologischen Fragen sind sie sich im Grundzug einig. Zwar sind bei dem theologischen Ansatz die Unterschiede nicht zu übersehen. Des einen Denken setzt gewissermaßen oben an; er betont die Göttlichkeit Gottes, und es geht ihm um dessen Allmacht, Heiligkeit und Ehre und die seines Sohnes. Der andere denkt eher von unten her; er setzt bei dem Gott an, der in Christus Mensch geworden ist, um die verlorene Welt zu erlösen.

Leuenberger Konkordie sorgt für Einigung

In der Frage nach dem Gottesdienst, dem christlichen Leben und der Bibelauslegung gibt es unterschiedliche Akzentuierungen, die für die kirchliche Praxis nicht folgenlos bleiben. Doch nur der Streit um das Abendmahl steht einem Zusammengehen der Reformierten und der Lutheraner wirklich im Wege. Dieser Streit ist jahrhundertelang teils heftig geführt worden. Seit 1971 ist er jedoch durch die sog. Leuenberger Konkordie ausgeräumt und beigelegt, so dass auch in dieser Frage eine Einigung erzielt worden ist.

Auch daran will der Gottesdienst am Reformationstag in Herborn erinnern. Den Gottesdienst gestalten Pfarrer Konrad Schullerus aus Herborn-Burg und Pfarrer Andree Best aus Herborn, für die musikalische Gestaltung sorgt Regina Zimmermann-Emde.


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