Reportage
"Es ist dieser unglaubliche Klang!"
Jugendliche Orgelschüler entdecken die Königin der Instrumente
Niederscheld, ein Donnerstagabend im November. Es ist lausig kalt auf der Empore in der Kirche. Doch wenn Nicole Christ in die Tasten greift, dann strahlen ihre Augen: „Es ist der Klang und das Mechanische an diesem Instrument, was mich so fasziniert.“ Nicole ist 17 Jahre alt. Die Schülerin spielt seit drei Jahren Orgel und hat vor einem Monat die D- Prüfung absolviert. „Mit dieser Prüfung habe ich den ersten Schritt zur Qualifikation als Organistin gemacht und nachgewiesen.“
Zweimal im Monat begleitet sie die evangelische Kirchengemeinde in Herborn-Burg auf der Orgel. Die Gemeinde würde sie gerne öfters spielen lassen, es herrscht Mangel an guten Organisten. Aber Nachwuchskräfte müssen sich langsam entfalten können und sollen nicht gleich verschlissen werden. Denn: „Zweieinhalb Stunden sind von der Kirche zur Vorbereitung vorgesehen, tatsächlich investiere ich vier bis fünf Stunden, um fit für einen Gemeindegottesdienst zu sein“, sagt Nicole. Übernächstes Jahr steht sie vor dem Abitur, das Lernen dafür hat dann Vorrang - denn sie weiß jetzt schon, dass das Orgelspiel ein schönes Hobby bleiben soll.
„Ich möchte nicht darauf verzichten. Aber ich möchte es auch nicht zum Beruf machen“. Sieben bis acht Orgelschüler hat Dekanatskirchenmusiker Günter Emde zurzeit. „Es sind überwiegend Jugendliche – aber es gibt auch Erwachsene, die Orgel erlernen“.
Der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) liegt sehr viel an einer guten Orgelausbildung. „Unsere evangelische Kirche beteiligt sich zur Hälfte an den anfallenden Unterrichtsgebühren“, sagt Günter Emde, „und es darf nur unterrichten, wer hauptamtlich als Kirchenmusiker tätig ist“. Wie seine Kolleginnen und Kollegen in anderen Dekanaten auch investiert er viel Zeit in die Nachwuchsförderung und Ausbildung der zukünftigen Organisten. „es lohnt sich, auch wenn viele der jungen Menschen nach der Schule aus beruflichen Gründen oder wegen des Studiums wegziehen“, sagt der Kirchenmusiker, „die Zeit während der Schule ist zum Erlernen ideal“.
An die 30 Menschen hat Günter Emde in den zurückliegenden 17 Jahren ausgebildet: „Zwei von ihnen haben später Musik studiert und einige sind nach wie vor als Organisten tätig. Man kann schon sagen dass ein großer Prozentsatz dabei bleibt, sofern Familie und Beruf den Freiraum lassen.“ Orgel spielen ist harte Arbeit, sagt Günter Emde, der als Jugendlicher Orgel lernte. „Ich weiß wie schwer das ist, daher gibt es gewisse Voraussetzungen, die junge Menschen mitbringen sollten, ehe sie sich auf eine Orgelbank setzen.“ In der Regel ist die Orgel das „Zweit- Instrument“.
So war es auch bei Nicole. Als Teeny hat sie bereits in Gemeindekreisen Keyboard zur Gesangsbegleitung gespielt. Ortswechsel: Auf der Orgelempore in Ewersbach übt Cosima Scholl. Den Weg zur D-Prüfung peilt die 14-Jährige aus Ewersbach erst noch an. Aber auch sie hatte bereits mehrere Jahre Klavierunterricht, ehe sie von Günter Emde im Jugendchor auf Orgelunterricht angesprochen wurde. „Dann habe ich meine Eltern gefragt und damit angefangen“.
Es ist ihre zehnte Orgelstunde. Vieles ist ihr noch fremd. „Im Vergleich zum Klavier ist der Anschlag ein anderer: Ich muss fester anschlagen“, versucht Cosima die Unterschiede zu beschreiben, „und dann ist da noch der Klang: es lässt sich nicht beschreiben, aber es ist ein toller Klang“. Für sie ist es mehr als ein Hobby. Die Orgel ist für Cosima ein liturgisches Instrument. „Mozart hat gesagt, die Orgel ist die Königin der Instrumente, da ist was dran.“
Im Orgelunterricht geht es um generelle musikalische Dinge, die ihr Günter Emde vermittelt. „Es gibt viel theoretisches Wissen, dass ich weitergebe, damit meine Schüler die Orgel von außen und innen kennen lernen. Wer weiß schon, wie sich die Bauart der Pfeifen auf den Klang auswirkt und dass die kleinste Pfeife in der Ewersbacher Orgel nur 1,5 Zentimeter groß ist, und damit den höchsten Ton erzeugt.
„Die Aussicht, einmal den Gottesdienst in der Gemeinde zu begleiten oder Musik und Konzerte zu geben, das reizt mich sehr“, sagt Cosima. Ihre Mitschüler finden es klasse, dass sie sich so engagiert. „Meine Freundinnen wollen zur Kirche kommen, wenn ich erstmals etwas vorspiele“. Bis dahin übt sie noch fleißig an dem Choralvorspiel. Das Notenbuch hat ihr der Dekanatskirchenmusiker Günter Emde empfohlen. Es erleichtere den Einstieg.
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