Impuls
Erstmal Bilanz ziehen
Andrea Zille24.11.2020 hjb Artikel: Download PDF Drucken Teilen Feedback
Zugegeben, das Kalenderjahr ist noch nicht ganz zu Ende, das Kirchenjahr schon. Daher sei es hier erlaubt, eine Bilanz zu wagen, wie sich denn die Jahreslosung für 2020 im Moment zeigt.
Wir erinnern uns: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“ lautet sie. Wie viele Anlässe für Glauben gab es in den letzten elf Monaten, wie viele für Unglauben oder Zweifel? Was hat die Pandemie mit dem Glauben gemacht? Vor allem: Was ist, wenn das Pendel einfach nicht endgültig zur einen oder anderen Seite ausschlagen will?
Ich meine, das ist nicht schlimm, ganz und gar nicht. Denn die Zeiten des Zweifels haben durchaus ihren Wert für den Glauben, stellt der Zweifel doch genau die Fragen, durch deren Beantwortung der Glaube an Reife und Tiefe gewinnen kann. Genauso zwiespältig erleben wir oft unsere Welt.
Gut Gemeintes hat auch seine Schattenseiten.
Das, was ich eigentlich nicht will, hat doch sein Gutes. Auch in diesen Monaten der Pandemie: Staatliche Maßnahmen sollen dem Wohl der Gesellschaft dienen, belasten den einen oder die andere aber umso mehr. Für manche ist all das kaum auszuhalten. Wir sollten es trotzdem versuchen. Könnte es nicht sein, dass das „sowohl - als auch“ sogar eine Bereicherung ist? Es ist Ausdruck der Vielfalt des Daseins.
Es schafft Aufmerksamkeit für neue Entwicklungen und regt zum kritischen Denken an: Ungläubig staunen und zugleich gläubig zweifeln. Wir erinnern uns: Der Vater eines an Epilepsie leidenden Jungen schreit es Jesus in die Ohren „Ich glaube, hilf meinem Unglauben“.
Ungefiltert, mitten aus dem Leben. Glaube und gleichzeitig Unglaube! Und Jesus lässt erkennen, das genügt, das reicht aus! Wie schön, das zu lesen. Von mir aus bräuchten wir 2021 keine neue Jahreslosung. Die jetzige ist es wert, weiter eingeübt zu werden. Am 1. Advent, am Beginn des neuen Kirchenjahres, wird es für uns Christen nicht die schlechteste Wahl sein, Gott und der Welt mit jener wachen Erwartungshaltung zu begegnen, die der Vater zeigt.
Joachim Fritz ist evangelischer Schulpfarrer und wohnt in Fleisbach.
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