Impuls
Die Perspektive weiten

23.06.2025
hjb
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Ein nicht leicht auszusprechendes und schwer zu merkendes Wort für eine Sache, die eigentlich ganz einleuchtend ist. Das Wort geht auf ein persisches Märchen zurück: „Die drei Prinzen von Serendip“, wobei dies der alte von arabischen Händlern geprägte Name für Sri Lanka ist.
Der König, schickt seine Söhne zur Vorbereitung auf ihr Amt mit verschiedenen Aufträgen in die Welt. Doch sie kommen niemals zurück. Sie machen unterwegs nämlich viele unerwartete Entdeckungen und sind ständig mit etwas beschäftigt, das ihnen wichtiger geworden ist als die ursprüngliche Bestimmung ihrer Reise. Sie verbinden nicht bewusst gesuchte Beobachtungen zu sinnvollen Schlussfolgerungen. Die Moral von der Geschicht‘: Bin ich interessiert und neugierig, mache ich wundervolle, lebensverändernde Entdeckungen, während ich eigentlich nach etwas völlig Anderem Ausschau gehalten habe.
In der Bibel sucht der junge Saul nach weggelaufenen Eselinnen. Unterwegs wird er zum ersten König von Israel gesalbt (1. Samuel 9f.). Das wirkliche Ziel und die Bestimmung der Reise liegen hinter dem vorgeblichen.
Serendipity kommt übrigens in der Wissenschaft häufig vor. Etwa 70 Prozent von biomedizinischen Arbeiten enthalten beispielsweise zufällige Ergebnisse. Offen, wach, aufmerksam erfahre und erlebe ich etwas, was die Reise und ihre Mühen wert sind. Das ist tröstlich und aufbauend, lässt unsere Sackgassen und Umwege weniger schlimm und schicksalhaft erscheinen.
Der Gewinn dieser Betrachtungsweise liegt darin, dass sie mich für Überraschungen öffnet. Fokus und Perspektive werden breiter und weiter. Daraus kann die Hoffnung erwachsen und neue Chancen für Menschen, die nicht fanden, was sie suchten, deren Wünsche und Sehnsucht sie zunächst ins Nirgendwo führten, doch dann glücklich, freudestrahlend und überwältigt wurden. Wenn man nicht dort ankommt, wo man hinwollte, so kommt man vielleicht dort an, wo man hinsollte. Darum befiehl Gott, dem Herrn, deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen (Psalm 37,5).
Michael Brück ist evangelischer Pfarrer in Eschenburg-Hirzenhain
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