Die Kirche in Merkenbach
Die Kirche in Merkenbach markiert für den Herborner Stadtteil den Neubeginn nach dem Zweiten Weltkrieg. 1954 wurde das Gotteshaus der Gemeinde übergeben.
Die weiße schlicht gehaltene Kirche in Merkenbach ist ein kleines Schmuckstück. Inspiriert von den niedrig flach gewölbten Kirchen Südfrankreichs ist in den 50-er Jahren die Evangelische Kirche in Merkenbach gebaut worden: Die Architektur im Innern widerspricht dem etwas. Neben Rund- und Rundbogenfenstern findet sich hier ein Chorbogen mit dahinter liegenden Chorgewölben und Kreuzgraten.
Die Kirche ist ein Zeitzeuge, das weiß auch das Pfarr-Ehepaar Hagen. Pfarrerin Brigitte Hagen und ihr Mann Pfarrer Bernd Hagen sind als Seelsorger für die Kirchengemeinde Merkenbach und die Kirchengemeinde Fleisbach im Amt. Genauso wie einer ihrer Vorgänger, Pfarrer Rudolf Feigs.
Aus alten Quellen und Zeitungsberichten weiß das Pfarr-Ehepaar Hagen von ihm und auch von der Zeit damals. Als einer der letzten Kriegsgefangenen kehrt er am Silvestertag aus Russland zurück. Große Teile liegen in Merkenbach noch in Trümmern. Die Menschen haben viele Schwierigkeiten mit dem alltäglichen Leben: Scharlach, Keuchhusten, Krankheiten, die heute nur noch wenig Bedeutung haben, lösen Angst um die betroffenen Kinder aus. Wegen Grippeepidemien werden die Schulen geschlossen.
Aber man packt an, man baut auf. Das Dorf mit seinen damals kaum eintausend Einwohnern beschließt trotz aller äußeren Armut die alte Kirche einzureißen und eine neue Kirche zu bauen. „Die alte Kirche war schwer beschädigt und wurde bald nach dem Beschluss, neu zu bauen, baupolizeilich gesperrt. Es ein mutiger Schritt – auch in Hinblick auf die Baukosten“, sagt Pfarrer Bernd Hagen, „viele suchten innerlich nach einem Neuanfang“. Die Bausumme in Höhe von 150.000 Deutscher Mark werden von der EKHN, der Kommunalgemeinde aber auch durch viele Einzelspenden zusammen getragen.
Innerhalb kürzester Zeit wird am 22. August 1954 der Grundstein für die neue Kirche gelegt. Die Ansprache des damaligen Pfarrers Rudolf Feigs ist leider nicht erhalten geblieben. Wohl aber einige Protokolle aus den damaligen Bauausschusssitzungen.
Am 1. März 1955 beschließt das Gremium, dass das neue Gotteshaus eine kupferbeschlagene Tür haben soll. Weiter heißt es dort, dass die beiden Glocken aus der alten Kirche in die neue übernommen werden. Allerdings wird der Glockenstuhl der neuen Kirche für vier Glocken ausgelegt. Die Kosten für die Turmuhr werden von der Kommune übernommen. Weitere erhebliche Kosten fallen für die Innenraumgestaltung und die Anschaffung einer neuen Orgel an. Zwar kann die Orgel der alten Kirche der Anstaltsgemeinde in Herborn für 2500 DM verkauft werden, aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein: Die neue Orgel soll 19.934,19 DM kosten. Die Gesamtkosten des Kirchenneubaus belaufen sich somit auf 205.641,00 DM - eine scheinbar unerreichbar hohe Summe.
Die evangelischen Christen in Merkenbach werden nicht müde, Gelder zu sammeln oder in Eigenleistung am Bau der neuen Kirche beizutragen. Die Frauen der Frauenhilfe schaffen es in ihren eigenen Reihen die Mittel für die Paramentik für Altar und Kanzel in den Farben des Kirchenjahres zu sammeln. Eine Merkenbacher Firma, damals noch im Familienbesitz, stiftet die Orgel. Schließlich ist unter großer Teilnahme der Bevölkerung die neue Merkenbacher Kirche am 11. Dezember 1955 der Kirchengemeinde feierlich übergeben worden.
Der damalige Pfarrer Feigs notiert: „Es war ein Tag, an dem nur eins aufkommen konnte, nämlich der Dank gegenüber Gott, der den Bau des neuen Gotteshauses gesegnet hat. So habe ich das Gotteshaus, nachdem Propst Herbert mir (Feigs) den Schlüssel zur Kirche überreicht hatte, mit dem Wunsch aufgeschlossen, dass es nun durch Gottes Gnade auch eine wirkliche Stätte des Segens für die Gemeinde werde.“ Für viele Menschen ist die Kirche in Merkenbach tatsächlich ein Ort des Segens geworden.
Anfang der 90er Jahre erhält die Kirche im Innenraum eine farbliche Gestaltung: Untypisch für reformierte Gemeinden kommen später weitere Bildmotive hinzu. Erdfarben, die sich harmonisch an die bestehenden Kalk- und Sandsteinen orientieren, umfassen seitdem die Fensterbögen, die Deckenkonstruktion und die Orgelempore. Damaris Wurmdobler gestaltet 1992 die Wände und den Chorraum neu. Neben den kräftigen Rot- und Umbratönen entsteht ein Bilderzyklus mit Darstellungen aus dem Leben Jesu: „Die Auferstehung“ im Osten des Chors zeigt den Engel am Grab Jesu, der den erschrockenen Frauen die Botschaft bringt, „Er ist nicht hier. Er ist auferstanden“.
Im Süden findet sich „die Hochzeit zu Kanaa“: Maria weist ihren Sohn Jesus daraufhin, dass kein Wein mehr da sei. Daraufhin verwandelt Jesus das Wasser zu Wein. Im Westen des Chores ist Jesus auf dem Ölberg dargestellt. Und im Norden schließt sich das Motiv der Grablegung Jesu an. Der Bilderzyklus erinnert an den Lauf eines Menschenlebens. Im Osten der Anfang, die aufgehende Sonne, im Süden die Blüte und Frucht, der Mittag des Lebens, im Westen nähert sich der Abend, das Leben neigt sich dem Ende zu.
Mit dem Norden kommt schließlich die Nacht, das Ende des Lebens, die Grenze ist überschritten. Der Kreis schließt sich mit der Hoffnung, dass im Tod schon der Keim für ein neues Leben liegt, das im Osten seinen Anfang nimmt. Im inneren Kreis der Chordecke finden sich die vier Symbole der Evangelisten wieder, wie sie in romanischen Kirchen zu finden sind: der Mensch steht für Matthäus, der Löwe für Markus, der Stier für Lukas und der Adler für Johannes. Diese Symbolik geht auf eine Vision des Propheten Hesekiel zurück, die in der Offenbarung des Johannes wieder aufgegriffen wird.
Pfarrer Bernd Hagen erklärt: „Vier Sternbilder, die über Kreuz am Himmel stehen und im Lauf des Jahres um den Nordstern kreisend ihre Plätze tauschen, tragen nach alter Vorstellung das Himmelsgewölbe, auf dem in der Mitte Gottes Thron steht. Die Visionen des Hesekiel beziehungsweise des Johannes gestalten diese Vorstellung jüdischem beziehungsweise christlichem Glauben entsprechend um. Die Kirchenväter deuten dann später diese den Thron Gottes umgebenden Wesen als die Evangelisten“. Pfarrer Bernd Hagen weiß, „dass die Künstlerin Wurmdobler von der traditionellen Aufteilung etwas abgewichen ist“.
In Merkenbach stehen Löwe und Adler sowie Mensch und Stier eben nicht diagonal gegenüber. Vielleicht liegt es auch daran, dass die Bilder nachträglich in der Kirche angebracht wurden. Die Kirche ist auf jeden Fall ein näheres Hinsehen wert. Wer sich dazu auf den Weg macht, sollte seine Aufmerksamkeit auch auf die Kirchentür lenken, die ein ganz besonderes Schmuckstück ist.
Die kupferbeschlagene Tür zeigt das Handeln Gottes an den Menschen: Der Regenbogen erinnert an den neuen Bund im Alten Testament, das Kreuz an die Heilstat Jesu im Neuen Testament, der Erlösung von den Sünden und die Auferstehung von den Toten. Gestaltet wurde die Tür vom Gold- und Kupferschmied Hans Philipp aus Biebesheim.
Den Menschen in Merkenbach, so sagte es die Ortsvortsherin Bärbel Arhelger beim Kirchenjubiläum, ist ihre Kirche auch heute so wichtig wie am Tag ihrer Einweihung. Eine lebendige Gemeinde trifft sich in ihr zum Gottesdienst.
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