Ev. Dekanat an der Dill

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Geschichte

Zähne sollen Rätsel lösen

Tjerk BekiusErbprobe als Abgleich: Die Schneidezähne verpackt in zwei Plastik-Röhrchen

Wo ist Graf Adolf von Nassau begraben? Die Spurensuche führt Wissenschaftler zum DNA-Abgleich nach Dillenburg in die Stadtkirche. Dort sind in einer Gruft die Nachfahren von Graf Adolf begraben. Sie sollen helfen einen Skelettfund in Oldenburg näher zu bestimmen. Dafür musste ein Zinksarg kurz geöffnet werden...

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Das Vorhaben erinnert ein wenig an die spannende Sarkophag-Öffnung Mitte 2019 in der Johanniskirche in Mainz, bei der man die 1000 Jahre alten sterblichen Überreste eines Kirchenmannes fand und später beweisen konnte, dass es Erzbischof Erkanbald ist, der dort zur letzten Ruhe gebettet wurde. Einziger Unterschied: Hier in der Stadtkirche in Dillenburg wusste man ganz genau, wer in den vier Zinksärgen begraben liegt und wessen Ruhe nun im Namen der Forschung ein wenig gestört werden würde – nach über 400 Jahren.

Wurde Graf Adolf von Nassau in Oldenburg begraben? 

Grund für die spektakuläre Öffnung eines Sarges in der Stadtkirchengruft ist ein wissenschaftliches Projekt, das den Verbleib der Gebeine Graf Adolf von Nassau-Dillenburg seit vielen Jahren erforscht. Geboren am 11. Juli 1540 in Dillenburg, kam der Freiheitskämpfer am 23. Mai 1568 im Kampf während des Achtzigjährigen Krieges (1568–1648) bei Heiligerlee in den Niederlanden ums Leben. Sein Leichnam wurde zunächst in einer Klosterkirche in der Nähe von Groningen beigesetzt, aus Sorge vor der Rache der Spanier jedoch wurde er später mehrfach umgebettet und in eine sicherere, heute unbekannte Grabstelle überführt. 

Dr. Lammert Doedens, niederländischer Historiker und Forscher, der auch bei der Sargöffnung in Dillenburg anwesend war, vermutet schon lange, untermauert durch intensive Recherche, dass sich Graf Adolfs Gebeine in der Lamberti-Kirche in Oldenburg in einem Sammelsarg befinden könnten. Bei einer Heizungssanierung 1937 wurden hinter einer Mauer im Keller Knochensammlungen entdeckt. Zwei Personen konnte man identifizieren, den Rest der Knochen legte man zusammen in einen weiteren Sarg. Nachfolgende Untersuchungen ergaben, dass hier die Gebeine Graf Adolfs liegen könnten.

Spurensuche führte zunächst nach Siegen

2017, nach einer erfolglosen DNA-Entnahme an den menschlichen Überresten Graf Johanns VII. von Nassau-Siegen, einem Neffen Graf Adolfs, in der Fürstengruft im Unteren Schloss in Siegen, wird nun in der Dillenburger Stadtkirche mit Erbprinz Heinrich August Wilhelm (1700–1718) ein weiterer direkter Nachfahre beprobt. Da das Skelett des Ur-Ur-Ur-Enkels eines Bruders von Graf Adolf in Dillenburg über vier Jahrhunderte in einem gut verschlossenen Zinksarg und einem relativ trockenen Raum lag, erhofft man sich einen besseren Erhalt der Knochen als bei der ergebnislosen Entnahme in Siegen.

Die Öffnung des Sarges wurde unter Aufsicht des Forschungsteams Dr. Lammert Doedens (im Auftrag des Universitätsmuseums Groningen) sowie Dr. Birgit Großkopf (Anthropologin des Johann-Friedrich-Blumenbach Instituts in Göttingen) von einer Spezialfirma durchgeführt. Die Proben selbst entnahm dann Frau Dr. Großkopf.

In einem Zeitraum bis zu vier Generationen ist eine Veränderung der Haplotypen der Y-Chromosomen-Linie nicht anzunehmen und sofern kein ”Kukuckskind“ vorkam, kann also sehr wahrscheinlich auch mit diesem entfernteren Familienmitglied eine direkte Verwandtschaft unzweifelhaft festgestellt werden. 

Sondererlaubnis zur Graböffnung wurde erteilt

Kirchenbaurat Wolfgang Feilberg von der kirchlichen Denkmalspflege der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sowie der Kirchenvorstand der Ev. Kirche Dillenburg gaben also die Erlaubnis für die DNA-Entnahme beim Erbprinzen Heinrich August Wilhelm, der leicht zugänglich hinter dem Altarraum der Kirche in der Gruft gebettet liegt. Natürlich hätten Vater und älterer Bruder des Grafen Adolf, die ebenfalls in unserer Stadtkirche begraben liegen, direktere Verwandtsgrade gehabt – Graf Adolf war der jüngste Bruder von Wilhelm von Oranien –, doch diese sind nur mit hohem Aufwand zu erreichen, da sie in einer Krypta unterhalb des Chorraumes bestattet sind.

Die Beprobung fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und einzig Projektbeteiligte und Gäste sowie Ursel Krug-Richter, unsere Kirchenvorstandsvorsitzende und seit vielen Jahren auch zuständig für die historischen Kirchenführungen in der Stadtkirche, durften einen Blick in den Sarg werfen. Auch ein echter Nachfahre kam zur Sargöffnung seines Verwandten nach Dillenburg: Clement Graf Stolberg-Stolberg von der Fürst zu Solms-Braunfels’schen Rentkammer aus Braunfels war anwesend und vertrat den heimischen Familienzweig der Stolbergs. Ein spannender und besonderer Moment.

Hintergrund DNA-Abgleich

Dr. Birgit Großkopf von der Universität Göttingen hat zur Bestimmung der DNA zwei Schneidezähne aus dem Grabgelege entnehmen können. Das Material wird zur Bestimmung im Labor näher untersucht. Der Befund für den DNA-Abgleich mit dem Y-Haplotypen des Oldenburger Skelett kann in etwa 6 bis 8 Wochen gesichert vorliegen.

Die Entnahme von ein bis zwei Zähnen bei historischen menschlichen Überresten ist für die Untersuchung der DNA üblich und für Dr. Birgit Großkopf ein Glücksfall: In der Zahnwurzel liegt die DNA relativ geschützt vor. Somit ist die Überlieferungswahrscheinlichkeit dort und im knöchernen Innenohr an höchsten. Das knöcherne Innenohr (Pars petrosum) lässt sich bei intakten Schädeln jedoch nur mit einem größeren Aufwand beproben. Leichter ist es die Zahnwurzel für die Untersuchung zu entnehmen. Anschließend nach der Untersuchung können die Zahnkronen wieder in den Kiefer eingesetzt werden, so dass die Beprobung kaum sichtbar ist. Augenscheinlich war der Holzsarg unter dem Zinkdeckel und das Skelett in einem sehr guten Zustand, so dass mit einem DNA-Befund sehr wahrscheinlich zu rechnen ist.

 

 

 

» Mehr Fotos gibt es hier unter

https://www.ev-kirche-dillenburg.de/2020/02/18/sarg-oeffnung-in-der-stadtkirche-am-18-februar-2020/

 

 



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