Ev. Dekanat an der Dill

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Gedenken

Samen der Mitmenschlichkeit

In der Stadtkirche Haiger wurde am Montagabend der Opfer des Nationalsozialismus gedacht. Am Internationalen Gedenktag der Auschwitzbefreiung vor 75 Jahren hatten sich gut 200 Besucher auf den Weg gemacht, um diesem einzigen Gedenkgottesdienst im heimischen Raum beizuwohnen.

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Von Klaus-Dieter Schwedt

"Heute vor 75 Jahren haben Soldaten der Roten Armee im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau die über 7000 Opfer des Holocaust befreit, nachdem Tage vorher über 60.000 in Todesmärsche Richtung Westen getrieben wurden", sagte Pfarrer Ralf Arnd Blecker und ergänzte, "heute sind Rassisten nicht nur auf den Straßen, sondern sogar in Parlamenten."

Pfarrer Ralf Arnd Blecker fand in seiner Predigt auch selbstkritische Worte: "Die Kirche hat lange Zeit die Verbindung zum Judaismus gekappt, dadurch hatten die Nazis leichtes Spiel".

Weiter bekräftigte der Seelsorger: "Gott hat mit Israel einen Bund geschlossen und Jesus Christus das Siegel der Treue aufgedrückt. Gottes Bund mit Israel steht und ist geöffnet für alle Völker. In der Gemeinde Christi kann es daher keine Feindschaft geben zwischen Christen und Juden. Ohne dieses auserwählte Volk hätten wir nie von ihm erfahren".

Auf die vergangene Geschichte zurückblickend fand Ralf Arnd Blecker deutlich Worte für den jahrhundertelang bestandenen Antijudaismus, für den die Theologie passende Reliefe geliefert habe. "Diese Einstellung hat dazu geführt, woran wir heute gedenken" sagte er und zitierte in desem Zusammenhang den Theologen Karl Barth, der den Antisemitismus als die größte Sünde gegen die Christen bezeichnet habe: "Das Leben hat überlebt und mit ihm der Same der Mitmenschlichkeit" sagte Pfarrer Blecker abschließend.

Dekan Roland Jaeckle formulierte in seinem Fürbittengebet das Versagen der Kirche bei der Ausgrenzung von jüdischen Mitbürgern. 

In ihrem Gedicht "Verpasste Gelegenheiten" erinnerte Renate Steinseifer an das Schicksal des Haigerer Juden Willi Hirsch, der wie alle anderen auch im Konzentrationslager ermordet wurde.

Im Beisein von Bürgermeister Mario Schramm und Stadtverodnetenvorsteher Bernd Seibel hatte der Haigerer Kirchenmusiker Joachim Raabe mit einem besinnlichen Klavierspiel den Gedenkgottesdienst eröffnet.

Berührend ließ das Flötenensemble unter Leitung von Annegrete Stein die eindrucksvolle Kletzmer Ballade "Land of Milk on Honey" erklingen.

Passend dazu sang die Gemeinde "Freunde, dass der Mandelzweig wieder blüht und treibt" aus der Feder des deutsch-israelischen Journalisten Schalom Ben-Charim. Nach dem Gedenken an die elf Haigerer Juden (Text siehe unten) durch Renate Steinseifer brachte Wolfgang Krumm emotional mit der Geige die jüdsche Hymne "Hine ma tov" zum erklingen. Solistin Ute Orth und ihr Sohn Florian (Cello) beendeten mit dem "Kadosh", einer hebräischen Komposition über Jesus Christus den Gottesdienst.

 

Im Gottesdienst wurde an die elf ermordeten Haigerer Juden erinnert:

Selma und Berta geb. Hirsch waren Schwestern von Wilhelm Hirsch aus dem Frigghof.

Adele Hirsch (geb. Simon) war Ehefrau des Sattlers Hugo Hirsch aus der Kreuzgasse. Sie wurden mit ihren beiden Mädchen Renate und Miriam im KZ Sobibór ermordet.

Abraham Simon war der Großvater von Renate und Miriam, er wurde nach Theresienstadt verschleppt und in Teblinka ermordet.

Willi Hirsch, der jüngere Bruder von Hugo, er war nach Holland geflohen. Von dort wurde er mit seiner jungen Frau nach Auschwitz-Birkenau deportiert und dort umgebracht.

Issak und Gertrud Löwenstein: Er war Viehhändler, sie wohnten in der Johann-Textor-Straße. Beide flohen nach Holland, wurden von dort nach Auschwitz verschleppt und umgebracht.

Irma Strauß: Sie war die Tochter von Hermann Strauß, der ein Kaufhaus in der Hauptstraße hatte. Sie lebten zusammen mit mit ihrer Tante Jettchen. Beide wurden von Frankfurt nach Theresienstadt deportiert und im Vernichtungslager Treblinka ermordet.

Um 1930 wurde am Ende der Haigerer Bismarckstraße ein jüdischer Friedhof angelegt. Neben den Juden Siegfried Hirsch und Hermann Herz wurden hier während der NS-Zeit auch russische und polnische Zwangsarbeiter mit ihren Kindern beigesetzt.

In Kürze sollen in der Innenstadt Stolpersteine zum Gedenken an die ermordeten elf Haigerer Juden ins Straßenplaster integriert werden.

 

 

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