Ev. Dekanat an der Dill

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Reaktion auf die ForuM-Studie

Dekanat will Prävention erhöhen

Dekan Andree Best und die stellvertretende Dekanin Anja Vollendorf wollen Kirchengemeinden im Evangelischen Dekanat an der Dill für das Thema Gewaltprävention weiter sensibilisieren. Sie weisen auf ein anonymes Meldeportal und kirchliche wie außerkirchliche Anlaufstellen hin. Best und Vollendorf bitten betroffene Personen, sich dort zu melden.

Dekan Andree Best und die stellvertretende Dekanin Anja Vollendorf wollen Kirchengemeinden im Evangelischen Dekanat an der Dill für das Thema Gewaltprävention weiter sensibilisieren. Sie weisen auf bestehende Schutzkonzepte in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau (EKHN) hin. Dazu gehören ein anonymes Meldeportal und kirchliche wie außerkirchliche Anlaufstellen. Best und Vollendorf bitten betroffene Personen, sich dort zu melden. 

Der Dekan des evangelischen Dekanats an der Dill, Andree Best, ist erschüttert über die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten ForuM-Studie über sexuellen Missbrauch in der evangelischen Kirche von 1945 bis 2020: "Das macht mich sehr betroffen, weil unser Anspruch an uns selbst selbstverständlich ein anderer ist. Wir möchten als Kirche ein Schutzraum für Kinder und Jugendliche sein, die sich hier frei entfalten können und mit ihren Fragen und ihren jeweiligen Lebenssituationen wahr- und ernstgenommen werden. Dass es so zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch an Schutzbefohlenen gibt, beschämt mich, denn hinter jeder Zahl steht ein Mensch, dem Leid zugefügt wurde. Das bedeutet, dass wir unsere zahlreichen Bemühungen noch weiter intensivieren müssen, Gefahrensituationen zu vermeiden und den Schutz der Kinder und Jugendlichen weiter zu erhöhen“.

Gewaltprävention und Kindeswohl seit 2014 im Blick

Im Evangelischen Dekanat an der Dill gibt es mit Dekanatsjugendreferentin Barbara Maage seit 2014 eine Präventionsbeauftragte. Sie schult Kontaktpersonen in den Gemeinden, bietet Hilfestellung bei den gemeindlichen Schutzkonzepten und berät kirchliche Anstellungsträger in Sachen Führungszeugnisse, Verhaltenskodex und Selbstverpflichtung. Im Frühjahr ist eine weitere Informationsveranstaltung für Gemeinden geplant. Der Dekan mahnt: „Und dennoch werden sich Menschen immer dort, wo sie miteinander zu tun haben, verschuldigen. Das muss Folgen haben: betroffenen Personen muss unbürokratisch und individuell geholfen werden – auch bei der Erstattung von Anzeige. Anschuldigungen müssen ernst genommen werden unter Einbeziehung von Krisenteams und den Behörden. Täter müssen strafrechtliche und dienstrechtliche Konsequenzen zu spüren bekommen – selbst postum. Das ist auch heute schon unser Anspruch, wir müssen sicherstellen, dass jede betroffene Person das auch so erlebt“.

ForuM-Studie hat „Hellfeld“ sichtbar gemacht

Anja Vollendorf, die stellvertretende Dekanin im Evangelischen Dekanat an der Dill, sagt: „In den 1980er Jahren sind wir in Deutschland aus der weltweiten Ökumene gefragt worden, wie es denn mit sexualisierter Gewalt in unseren Kirchen aussehe. Damals haben kirchliche Frauenreferate erste Leitlinien zum Umgang mit sexualisierter Gewalt entwickelt. Später sind Studien zu Fällen in diakonischen Einrichtungen entstanden, manche Straftatbestände wurden aufgedeckt. Kirchliche Räume sind an sich nicht heile Räume. Wir müssen uns jetzt dafür einsetzen, sichere Räume zu schaffen. Es ist furchtbar, dass auch Pfarrpersonen Täter sind. Und es ist gut, dass die ForuM-Studie dieses ‚Hellfeld‘ sichtbar gemacht hat.“

Dekan Andree Best und die stellvertretende Dekanin Anja Vollendorf finden es wichtig, dass die ForuM-Studie den betroffenen Menschen Gehör verschaffe. „Auch wenn uns die Ergebnisse der Studie erschüttern, es ist ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg der Intervention, Aufarbeitung und Prävention und mahnt uns zum weiteren Handeln.“ Für den Dekan und Pfarrer bedeutet das, auch mit den Menschen im Gespräch zu bleiben, beispielsweise im Beteiligungsforum der EKD, um wie geplant gemeinsam Maßnahmen zur Prävention zu erarbeiten. „Das schließt die Erweiterung unserer kirchlichen Schutzkonzepte ebenso ein, wie die konsequente Einhaltung unserer Standards, wie die Beantragung von erweiterten polizeilichen Führungszeugnissen auch für ehrenamtlich in der Jugendarbeit tätigen; die Selbstverpflichtung aller Mitarbeitenden, das Kindeswohl zu achten und Gefahrensituationen zu vermeiden, sowie die Sensibilisierung aller kirchlich Handelnden für das Thema Missbrauch“.

Die "Sprachfähigkeit" von Kindern erhöhen

Dekanatsjugendreferentin Barbara Maage sagt: „Grenzverletzungen zeigen sich sehr häufig im täglichen Gebrauch der Kinder und Jugendlichen, so dass sie meist nicht bemerken, dass bereits verbale Äußerungen in anderen eine Verletzung hervorrufen. Häufig höre ich ‚Das ist doch normal!‘ Auch Ausgrenzung oder körperliche Eingriffe können bereits niederschwellig passieren ohne dass ein Bewusstsein für Grenzverletzungen vorhanden ist. Ich finde es daher sehr wichtig, auf allen Ebenen eine Kultur der Achtsamkeit zu entwickeln“. Sie bietet Schulungen oder Gespräche mit Kindern und Jugendlichen an. Darin bestehe die Möglichkeit, sich mit Verhaltensweisen auseinanderzusetzen, die Eigen- und Fremdwahrnehmung zu sensibilisieren, um so mit Grenzen bewusster umzugehen.

Ihr Wunsch: „Kinder und Jugendliche sollen in unserer Kirche eine Heimat finden, in der sie geschützt werden und in ihrer Persönlichkeit reifen. Junge Menschen sollten in den Kirchengemeinden an Entscheidungen mitwirken können. Außerdem müsse ihnen ein Wissen über Sexualität und sexuelle Gewalt vermittelt werden. Damit sie Grenzüberschreitungen besser erkennen und ihre ‚Sprachfähigkeit‘ erhöht werde“.

Schutzkonzepte in der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau

In der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) und den kirchlichen Einrichtungen gibt es seit zwei Jahrzehnten ein Präventions- und Schutzkonzept, das betroffenen Menschen Hilfe bietet. Hier leistete die EKHN insofern Pionierarbeit, als dass von Anfang an betroffene Personen einbezogen waren. Diese Ansätze waren bundesweit wegweisend und flossen auch in den Aktionsplan der EKD gegen sexualisierte Gewalt mit ein.

Eine Grundlage, um gegen sexualisierte Gewalt in der Kirche vorzugehen, ist das Gewaltpräventions-Gesetz von 2020. Es fasst zahlreiche Einzelmaßnahmen zusammen und definiert unter anderem klare Standards zu verpflichtenden Schutzkonzepten in kirchlichen Einrichtungen der EKHN. Es stellt außerdem verbindliche Verhaltensanforderungen an Haupt- und Ehrenamtliche, wie zum Beispiel ein Distanz- und Abstinenzgebot in besonderen Macht- und Vertrauensverhältnissen und bei besonderen Abhängigkeiten auf. Verbindlich werden darin neben der Prävention auch die Intervention und die Aufarbeitung festgelegt.

Seit Oktober 2022 hat die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau eine unabhängige Anerkennungskommission, die von der Kirchenleitung der EKHN berufen wurde, um die Verantwortung der Kirche für erlittene sexualisierte Gewalt im Raum der EKHN und ihrer Diakonie durch Anerkennungsleistungen zum Ausdruck zu bringen. Sie kann erlittenes Unrecht selbstverständlich nicht ungeschehen machen, aber sie will zeigen, dass Vorfälle aufgearbeitet werden und betroffene Personen Recht erfahren sollen.

2023 hat die Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt ihre Arbeit aufgenommen. Das interdisziplinäre Team ist direkt dem Kirchenpräsidenten zugeordnet und arbeitet unter Einbindung einer betroffenen Person.

Hintergrund „ForuM-Studie“

Die ForuM-Studie erfasst Verdachtsfälle und bestätigte Fälle, in denen eine erwachsene, bei der EKHN haupt- oder ehrenamtlich beschäftigte Person sexualisierte Gewalt an Minderjährigen ausgeübt hat oder der Verdacht bestand. Demnach sind in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie für die vergangenen Jahrzehnte mindestens 1.259 Beschuldigte dokumentiert. Davon sind in der EKHN im erfragten Zeitraum von 1945 bis 2020 insgesamt 45 Fälle bekannt. Nach aktuellen Kenntnisstand waren die Täter*innen und beschuldigten Personen überwiegend Pfarrpersonen. Die Untersuchung unabhängiger Wissenschaftler wurde 2018 von der EKD-Synode beschlossen und Ende 2020 gestartet. Das Projekt wurde von der EKD und den Landeskirchen mit rund 3,6 Millionen Euro unterstützt.

 

 

 

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