Ev. Dekanat an der Dill

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Neues Buch

Revival der Bettelorden

Es gibt sie noch, die armen Klöster: Gemeinschaften, die bewusst arm sein wollen. Sie strahlen gerade auf moderne Menschen eine Faszination aus. Pfarrerin Antje Müller hat ein Buch über die Faszination und Spiritualität in Ordensgemeinschaften geschrieben. Und was Gemeinden von geistlichen Kommunitäten lernen können...

 

Weiße schlichte Gewänder, mehrstimmiger Gesang von Männern und Frauen – das alles strahlt Ruhe aus. Dreimal am Tag singen und beten die Brüder und Schwestern der Monastischen Gemeinschaft von Jerusalem (FMJ) öffentlich in der Kirche Groß Sankt Martin in Köln - unweit vom Dom. In der Metropole strahlt die arme Klostergemeinschaft eine Faszination gerade auf moderne Menschen aus: Einheimische aber auch Touristen nutzen gerne das Mittagsgebet in einer der ältesten Kirchen Kölns, um zur Ruhe zu kommen.

Manche Gemeinschaften verstehen sich bewusst als „Großstadtmönche oder -nonnen“ und sehen ihren Auftrag darin, „Oasen des Gebets in den Wüsten der Städte“ zu gründen – also bewusst zu den Menschen in die Städte zu gehen, sagt Pfarrerin Antje Müller. Die ehemalige Krankenhausseelsorgerin an den Dill-Kliniken Dillenburg und heutige Gemeindepfarrerin in Frücht bei Bad Ems hat verschiedene geistliche Gemeinschaften in Erfurt, Florenz, Köln, Luzern, Rom, Wien und Würzburg besucht und ihre Erfahrungen niedergeschrieben. Sie war in einer sechs Mönche kleinen WG und auch in einem Kloster mit mehr als 100 Mönchen.

Alle zehn Jahre können Pfarrerinnen und Pfarrer drei Monate Studienurlaub nehmen und sich in dieser Zeit einem Thema ihrer Wahl widmen. Pfarrerin Antje Müller (53) hat sich im Rahmen ihres Studienurlaubs mit Klöstern und Kommunitäten als spirituelle Lernorte beschäftigt. Sie wollte wissen, welche Formen von christlichen Gemeinschaften gibt es außerhalb der Ortsgemeinden?

Herausgekommen ist dabei das lesenswerte Buch „Orte des Glaubens jenseits der Ortsgemeinden“. Auf 122 Seiten stellt Antje Müller beispielsweise die Monastische Gemeinschaft von Jerusalem (FMJ) vor, die 1975 in Paris gegründet wurde und in Köln eine Niederlassung hat. Zudem hat sie die heutigen Nachfahren der Augustinermönche, denen Luther einst angehörte, in Erfurt besucht ebenso wie die franziskanisch-dominikanische Gemeinschaft vom Lamm, die erst 1974 entstanden ist, sowie die Gemeinschaft Sant‘ Egidio, die 2018 ihren 50. Geburtstag feiern konnte. Allesamt Gemeinschaften ohne große Besitztümer. Im Anhang des Buches finden sich Interviews mit Ordensleuten sowie einer evangelischen Pfarrerin, die sich in der Gemeinschaft Sant‘ Egidio in Würzburg engagiert.

Menschen, die eine Auszeit brauchen - also mal abtauchen wollen, kann Antje Müller das Kloster sehr empfehlen. Man kann mit den Brüdern und Schwestern reden, sich aussprechen, sich ihnen anvertrauen, denn es gilt die seelsorgliche Schweigepflicht. Man könne die Angebote der Gemeinschaften nutzen oder eben nicht und für sich sein. Armut und Gütergemeinschaft, Ehelosigkeit und Gehorsam sind die Grundprinzipien klösterlichen Lebens. Auch evangelische Gemeinschaften knüpfen meist an die Traditionen des alten Mönchtums aus Zeiten der ungeteilten Kirche an und haben nicht selten die Benediktsregel übernommen, sagt Antje Müller.

Die neuen Ordensgemeinschaften aus den 1970 er Jahren knüpfen wieder an das alte Ideal der Bettelorden an, verzichten auf große Klosterbauten und leben bewusst zur Miete in sozialen Brennpunkten der Städte. Antje Müller hat die Communität Casteller Ring bei Würzburg und die Diakonissen von Riechen bei Basel besucht. Letztgenannte haben wieder Nachwuchs, seitdem sie Gästen einen Ort der Stille und geistliche Begleitung anbieten.

Apropos Nachwuchs: „In Köln hat mich überrascht, wie jung die Männer und Frauen sind, die sich für das klösterliche Leben mitten in der Großstadt entschieden haben“, erzählt Antje Müller. Wie bei der Monastischen Gemeinschaft von Jerusalem strahlen die liturgischen Gesängen und die feierlichen Gottesdienste eine Faszination aus, die viele junge Menschen anziehe. Die Gesänge erinnern ein wenig an die orthodoxe Liturgie oder an die Gesänge von Taizé.

Neben der Gastfreundschaft sei die Bereitschaft der Schwestern und Brüder beeindruckend in einfachen Berufen oder in sozialen Brennpunkten der Städte zu arbeiten. So haben die Schwestern und Brüder vom Lamm bewusst das weiße Ordenskleid der Dominikaner gegen jeansfarbene Gewänder, dem Stoff der Arbeiter, eingetauscht.

Das Buch endet mit Hinweisen für die eigene Ortsgemeinde: Die vorgestellten Gemeinschaften haben die Zeichen der Zeit erkannt und wissen, was die Menschen heute brauchen. Es gebe andere Bedürfnisse als vor 50 oder 100 Jahren, die meisten Menschen hätten materiell alles. Es sei daher kein Zufall, sagt die Pfarrerin, dass eine Gemeinschaft, die auf Spiritualität setzt, Zulauf habe. Man dürfe nicht mehr ortsgemeindlich denken, müsse über den Kirchturm hinausschauen, in die Region, um zu sehen, was heute die Aufgaben und Herausforderungen sind. Dabei spiele die Ökumene eine zunehmend bedeutende Rolle.

 

„Orte des Glaubens jenseits der Ortsgemeinde“
von Antje Müller
erschienen im Frieling Verlag Berlin 2019
127 Seiten, 14,90 Euro
ISBN 978-3-946467-73-1

 

 

» Kontakt: Pfarrerin Antje Müller
Schweizertalstraße 6
56132 Frücht
Telefon 0160 / 6368503
E-Mail pfarrerinthomaskirche@aol.de 

 

Zur Person

Antje Müller (Jahrgang 1966) ist in Greifenstein-Ulmtal bei Wetzlar aufgewachsen. Die evangelische Pfarrerin hat in Heidelberg (Evangelische Theologie) und an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Jesuiten St. Georgen in Frankfurt (Katholische Theologie) studiert.

Als Pfarrerin war sie im Dekanat an der Dill für die Krankenhausseelsorge an den Dill Kliniken zuständig. Heute ist sie Gemeindepfarrerin in Frücht bei Bad Ems. Der vorliegende Erfahrungsbericht ist 2018 während eines dreimonatigen Sabbaticals entstanden.

 

» Unsere Fotos oben:

Pfarrerin Antje Müller hat ein Buch über die Faszination und Spiritualität in Ordensgemeinschaften geschrieben. FOTO: BECKER-VON WOLFF

Weiße schlichte Gewänder, mehrstimmiger Gesang von Männern und Frauen – das alles strahlt Ruhe aus. Dreimal am Tag singen und beten die Brüder und Schwestern der Monastischen Gemeinschaft von Jerusalem (FMJ) öffentlich in der Kirche Groß Sankt Martin in Köln - unweit vom Dom. 

Pfarrerin Antje Müller zu Besuch bei der „Franziskanischen Gemeinschaft von Betanien“ in Aschaffenburg: Bruder Alberto (rechts) ist der Guardian (Prior). Er ist Priester und Theologe. FOTOS: ANTJE MÜLLER

 

 

 

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